Sonntag, 7. Juni 2009, 15:30 Uhr

Konzert am Nachmittag

Kapelle des LKH Villach

Gerda Anderluh: Violoncello
Michael Kasalicky: Viola
Barbara Hofer: Violine
Helmut Stiegler: Violine
Christoph Hofer: Akkordeon

Antonín Dvorák: Bagatellen für 2 Violinen, Violoncello und Harmonium op. 47

  1. Allegretto scherzando
  2. Tempo di minuetto, grazioso
  3. Allegretto scherzando
  4. Andante con moto
  5. Poco allegro

Antonín Dvorák widmete die 1878 komponierten Bagatellen seinem Freund und Musikkritiker Josef Srb-Debrnov, bei dessen Hausmusikabenden er hin und wieder als Bratschist aushalf. Allerdings gab es in Srb-Debrnovs Haus kein Klavier, dafür aber ein Harmonium, das gelegentlich als Orgelersatz bzw. für Orchesterauszüge verwendet wurde, für das es aber kaum originale Kammermusik gab.

Das ungewöhnliche Instrumentarium eines Harmoniums setzte Dvorák nun bewusst programmatisch ein, indem er das modifizierte Thema des Volkslieds "Es spielten die Dudelsäcke in Poduby" verwendete und die Charakteristik des Harmoniums nutzte, um Dudelsackklänge zu imitieren. Die damit erzielten Klangeigenschaften waren ihm so wichtig, dass er sich auch seinem Verleger widersetzte, als dieser das Harmonium durch Klavier ersetzen wollte, weil es "dem ganzen Werk eine andere Gestalt geben und ihm überhaupt schaden" würde.

Das Werk bildet mit seinen fünf Tänzen eine Suite; die thematische Verschränkung zwischen den Sätzen sowie die wechselnden Tempi deuten jedoch darauf hin, dass Dvorák sie gleichwohl als ein geschlossenes Gesamtwerk konzipiert hat.

Thomas Stiegler: Streichquartett No 1

4 Sätze

Thomas Stiegler, als Geiger und Sänger vielseitig künstlerisch tätig, komponiert seit seiner Jugend. Damals war es seine Begegnung mit dem Schaffen Bohuslav Martinus, die ihn zu ersten Kompositionsversuchen anregte. Skizzenmaterial aus dieser frühen Zeit waren es auch, die er später in seinem ersten Streichquartet verwertete.

Es ist ein Quartett der Kontraste. Zwischen den ausladenden Ecksätzen kommen die beiden mittleren mit knappem Raum aus. Der zweite lebt von subtilen Klangwirkungen, vom Lauschen auf das ganz Leise. Ganz anders der dritte: Mit seiner strengen fugierten Architektonik wirkt er viel "fester" als der sphärische zweite - Musik in einem anderen Aggregatzustand.

Wollte man den Sätzen die vier Elemente zuordnen, dann wohl dem ersten mit seinem straff synkopierten tänzerischen Hauptthema "Feuer", dem zweiten "Luft", dem dritten "Erde" und dem vierten mit seinem wiegenden, fließenden Eröffnungsthema (dem einzigen mit romantischen Anklängen) das Element "Wasser". Diesem ließe sich - gleichsam als kontrastierendes Element innerhalb des ersten Satzes - auch dessen lyrisches Seitenthema zuordnen, welches später - mit rhythmisch prägnant zugespitzter Begleitung - als eine Art Trauermarsch in Erscheinung tritt.

Kontrapunktische Stimmführung kennzeichnet nicht nur den dritten, sondern auch Teile der anderen Sätze, insbesondere den Durchführungsbeginn des ersten.

Astor Piazzolla: Tango Ballett

  1. Títulos
  2. La calle
  3. Encuentro - Olvido
  4. Cabaret
  5. Soledad
  6. La calle

Der Tango entstand mitte des 19. Jahrhunderts in Argentinien in den verarmten Gebieten von Rio de la Plata und Buenos Aires und entwickelte sich bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts zu der populärsten argentinischen Tanzform. Mit seinem pessimistischen, aber gleichzeitig fatalistischen Charakter traf er zur Jahrhundertwende den Nerv des von sozialen Problemen und Perspektivlosigkeit geplagten Argentinien. Der Tango wurde jedoch so sehr zum Inbegriff des argentinischen Lebensgefühles, dass er in seiner Traditionalität erstarrte und jede Neuerung auf erbitterten Widerstand stieß. Schließlich verkam er zur Folklore der einfachen Gesellschaft und geriet in der Bildungselite in Verruf.

In diesem Zwiespalt hauchte Astor Piazzolla dem Tango völlig neues Leben ein, indem er moderne Elemente aus Klassik, Jazz und Pop mit den Grundelementen des Tango verknüpfte. Von den Traditionalisten wurde er deswegen anfangs zwar dermaßen angefeindet, dass er und seine Familie sich in Buenos Aires mitunter kaum auf die Straße wagen konnten. Doch er arbeitete unermüdlich an der Weiterentwicklung seiner Klangsprache, und schuf damit seinen ganz charakteristischen Stil, den Tango Nuevo. Heute gilt Astor Piazzolla als einer der bedeutendsten Musiker Südamerikas.

Pablo Nerudo schrieb über ihn: "Piazzollas Musik ist die der Fehler und Verwirrungen der Menschen, [...] eine Musik, die durch die Arbeit der Hände freigelegt wird, schweiß- und rauchgetränkt mit dem Geruch von Lilien und Urin, voll gespritzt mit der Fülle unseres Tuns, sei es legal oder illegal ... eine Musik, die so wenig rein ist wie alte Kleider, wie ein Körper, voller Speiseflecken und Scham, voller Falten, Beobachtungen und Träume, Wachheit, Vorahnungen, Liebesschwüren und Verwünschungen, voller Dummheiten, Schocks und Idyllen, politischer Überzeugungen, voller Verleugnungen, Zweifel und Bestärkungen [...] ".

Kurt Schwertsik: Adieu Satie

dem Kronos-Quartett gewidmet

  1. Parade
  2. Darius en vacances
  3. Le Coq et l'Arlequin
  4. Gymnopédie
  5. Clownerie acrobatique

Kurt Schwertsik wurde 1935 in Wien geboren, studierte Komposition bei Joseph Marx, Karl Schiske, Karlheinz Stockhausen, Mauricio Kagel und John Cage, sowie Horn bei Gottfried Freiberg. Er war Hornist beim Niederösterreichischen Tonkünstlerorchester sowie den Wiener Symphonikern.

1958 gründete er zusammen mit dem Komponisten Friedrich Cerha das Wiener Ensemble für neue Musik „die reihe“ und 1965 mit seinen Freunden Zykan und Heinz Karl Gruber das Ensemble „MOB art & tone ART“. Neben Gastprofessuren in Amerika lehrte er Komposition am Wiener Konservatorium und der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien. Er gilt heute als wichtigster Vertreter der zeitgenössischen Musik in Österreich und erhielt zahlreiche Preise und Auszeichnungen.

Schwertsiks musikalisches Schaffen entzieht sich jeglicher Etiketten und Klischees. Obwohl er lebhaft und engagiert am kunsttheoretischen Diskurs teilnimmt, sprengt er stets alle dogmatischen Fesseln und kennt keine Tabus. Am ehesten kann man sein Werk als eine Manifestation der romantischen Ironie beschreiben, wo Tiefsinnigkeit mit ironischem Witz gepaart ist, es sich einer einfachen Deutung hartnäckig entzieht und so den Zuhörer zur ureigenen, individuellen Auseinandersetzung zwingt.

Dem entsprechend verzichtet Schwertsik auf Werkeinführungen, sondern stellt dem Werk "Adieu Satie" statt dessen ein Gedicht zur Seite:

Du mönchischer Clown
Der Du das Spiessertum aus der Kunst verbannen wolltest
& das weihevolle Geraune der in höheren Sphären schwebenden
Kunstbeflissenen durch Zirkus, Music Hall & Cabaret störtest.

Du Dadaist
Der Du keinen Unterschied zwischen hohen & niedrigen Künsten
gutem & schlechtem Geschmack
simplen & unbegreiflichen Ideen
anerkennen wolltest.

Du Schutzheiliger
Einer Idee der moderne, die meine Heimat ist,
Wo ich immer schon sein wollte: Utopia.

Du Navigator der Zeit
Rette die Seele der vom Faschismus zerstörten moderne
In Deinem in die Ewigkeit schwindenden Fahrzeug.

Adieu Satie